Nette Gedichte
Hier bist du. Und dort ist die Natur.
Leider ist Verschiedenes dazwischen.
Bis zu dir herueber wagt sich nur
ein Parfuem aus Blasentang und Fischen.
Zwischen deinen Augen und dem Meer,
das sich sehnt, von dir erblickt zu werden,
laufen dauernd Menschen hin und her.
Und ihr Anblick macht dir Herzbeschwerden.
Freigelassne Baeuche und Popos
stehn und liegen kreuz und quer im Sande.
Dicke Tanten senken die Trikots
und sehn aus wie Quallen auf dem Lande.
Wo man hinschaut, wird den Augen schlecht,
und man schliesst sie fest, um nichts zu sehen.
Doch dann sieht man dies und das erst recht.
Man beschliesst, es muesse was geschehen.
Wuetend stuerzt man ueber tausend Leiber,
bis ans Meer, und dann sogar hinein ?
doch auch hier sind dicke Herrn und Weiber.
Fett schwimmt oben. Muss das denn so sein?
Traurig haengt man in den gruenen Wellen,
vor der Nase eine Frau in Blond.
Ach, das Meer hat nirgends freie Stellen,
und das Fett verhuellt den Horizont.
Hier bleibt keine Wahl, als zu ersaufen!
Und man macht sich schwer wie einen Stein.
Langsam laesst man sich voll Wasser laufen.
Auf dem Meeresgrund ist man allein.
(ein Gedicht von Erich Kästner)
Martinstag
Darum wirst du verehrt
Aus dem Nebelwolkenhaus
pliert der heiligeMartin heraus:
"He , ihr Leute, was ist bloss
unten auf der Erde los?
In den Straßen gibts Gewimmel,
schlimmer als bei uns im Himmel.
Freude liegt auf den Gesichtern,
alles rennt mit bunten Lichtern,
mit Laternen aus Papier.
Was soll dieser Aufzug hier?"
" Warum wir die Lichter brennen,
wirst du sicherlich erkennen.
Lieber Martin, heilger Mann,
schau, wir zünden Kerzen an,
dass der Himmel sehen kann,
was du Gutes hast getan,
als hier auf Erden weiltest,
und der Armen Not gekehrt:
drum wirst du noch heut verehrt."
Mein Kind
Ich stehe an deinem Bettchen
und schaue dir zu beim Schlaf.
Du bist ein Geschenk des Himmels,
das ich bewundern darf.
Noch trübt keine Sorg’ deine Ruhe,
noch ängstigt deinen Traum keine Zeit.
Oh glückliche Kindheit, ich wünsche,
dass sie dir lange noch bleibt.
Das große Glück, noch klein zu sein,
sieht mancher Mensch als Kind nicht ein,
und möchte, dass er ungefähr,
so 16 oder 17 wär.
Doch schon mit 18 denkt er halt,
wer über 20 ist, ist alt.
Kaum ist die 20 knapp geschafft,
erscheint die 40 greisenhaft.
Und dann die 40, welche Wende,
die 50 gilt beinah' als Ende!
Doch nach der 50 peu a' peu
Schraubt man das Ende in die Höh'!
Die 60 scheint noch ganz passabel,
und erst die 70 miserabel!
Mit 70 aber hofft man still,
ich werde 80 - so Gott will.
Und wer die 80 überlebt,
zielsicher auf die 90 strebt.
Dort angelangt zählt er geschwind,
die Leute, die noch älter sind.
Doch hat die Mitte 90 man erreicht,
die Jahre, wo einen nichts mehr wundert,
denkt man mitunter: „Na- vielleicht
schaffst du mit Gottes Hilfe noch die 100!"
unbekannter Verfasser